16.09.2022 | Mein erster Schultag


Die Klassen 1a, 1b und 1c mit den Klassenlehrerinnen Frau Grab, Frau Dietmann und Frau Spöcker

Spannung liegt in der Luft. Nicolas Poyner kommt in die erste Klasse. Der Junge ist eines von insgesamt 61 Kindern, die am Donnerstagvormittag in der Längenfeldschule in Ehingen eingeschult wurden.

„Ich will Nutella“, sagt Nicolas. Die bekommt er von Mutter Katrin gereicht, die neben ihm draußen auf der Terrasse frühstückt. Es gibt Dinkelvollkornbrot und Orangen-Direktsaft, der Mutter wie Sohn zu sauer ist. Vater Rob sitzt auf der anderen Tischseite und trinkt English Breakfast Tea mit Milch. Der Brite schaut sich auf dem Laptop einen Live-Stream der Westminster Hall an, in welcher der Sarg der verstorbenen Queen Elizabeth II. aufgebahrt ist. „Die Warteschlange ist acht Kilometer lang“, erklärt der Engländer.

Es könnte ein ganz normaler Morgen sein, aber etwas ist anders. Rob arbeitet heute nicht wie sonst in seinem Job als Ingenieur bei Iveco. Er hat als Vater dank einer von der IG Metall verhandelten Regelung Anspruch auf zusätzlichen Urlaub. Nicolas, der von seinen Eltern auch Nici genannt wird und vom Vater auch auf Englisch angesprochen wird, hüpft unruhig herum. Der Sechsjährige ist herausgeputzt, trägt ein blau-weiß kariertes Hemd, farblich passend zur Kleidung der Mutter - und farblich passend zur Schultüte im Halloween-Style. „Es ist so befriedigend, diesen Schulranzen aufzumachen“, sagt Nicolas begeistert. „Woher kennst du denn dieses Wort, befriedigend?“, fragt seine Mutter. „Von Clara“, entgegnet Nicolas.

Nicolas hat zwei ältere Schwestern. Die achtjährige Clara wurde vor zwei Jahren eingeschult, die zehnjährige Maya besucht mittlerweile das Gymnasium. Katrin Poyner erinnert sich an Claras ersten Schultag an der Längenfeldschule, der noch unter Corona-Bedingungen stattfand: Es feierten nicht alle zusammen, sondern in Schichten. „Es war echt schade, dass die Zweitklässler nicht singen durften“, bedauert Katrin Poyner. Stattdessen hätten sie einen Rap aufgeführt, den sie mit Maske darboten. Mutter Katrin freut sich: „Jetzt ist es wie immer, Gott sei Dank!“

„Meine Schultüte ist aber schon schwer“, beschwert sich Nicolas. Weit tragen muss er sie glücklicherweise nicht, vorerst nur zum Auto. Vater, Mutter und Sohn fahren Richtung Längenfeldschule. Andere Verwandte können bei der Feier leider nicht dabei sein. „Wir sind normalerweise immer die Letzten“, weiß Katrin Poyner. Auch heute ist die Zeit knapp, aber die Familie schafft es rechtzeitig vor Beginn der Begrüßung in die Schulmensa. Nicolas findet ein Plätzchen ganz außen in der ersten Reihe. Die Halle ist brechend voll. Mütter, Väter, Großeltern, Geschwister und andere Verwandte haben es sich nicht nehmen lassen, die Kleinen an ihrem besonderen Tag zu begleiten. Die Eltern wirken fast aufgeregter als ihre Kinder, vielleicht erinnern sie sich an ihre eigene Einschulungsfeier.

„Mein Name ist Herr Simmendinger“, begrüßt der Rektor die 61 Neulinge. „Hallo!“, ruft ein aufgewecktes Mädchen aus der vierten Reihe dem Schulleiter zu. „Worauf seid ihr am meisten gespannt?“, fragt Udo Simmendinger in die Runde. „Mathe!“, meldet sich ein Junge. Die Zweitklässler von Katja Kneer, Susanne Mattenschlager und Sandra Lindenlaub sind an der Reihe, die Erstklässler singend und musizierend in der neuen Schule willkommen zu heißen. Udo Simmendinger erzählt den Kindern eine Geschichte über Chancen und wie sie die Chancen nutzen. Die Kleinen sollten nicht zu zögerlich sein. „Und wenn etwas schief läuft, ist immer jemand von der Schule da“, bestärkt der Schulleiter die Kinder.

Nun ist die Aufgabe der drei Klassenlehrerinnen, ihre Schäfchen ins Klassenzimmer zu bringen. Nicolas folgt Verena Grab ins Klassenzimmer der 1a ins gegenüberliegende Gebäude. Die 1b leitet Lisa Dietmann, die 1c Patricia Spöcker.

Im Klassenzimmer warten die Namensschilder auf die Neulinge. Alle finden direkt ihren Platz. Verena Grab erzählt zum Einstieg eine Geschichte, in der sie den Kindern vermittelt, dass es ganz normal ist, am ersten Schultag Magengrummeln zu haben. Und sie stellt die Plüschgiraffe Janosch vor. „Janosch kann sich ganz groß hinstellen“, erklärt die Lehrerin. Auch jedes der Kinder habe etwas, was er oder sie gut kann. Nicolas sagt, er könne gut Fußball spielen und mit den Fingern schnipsen, sogar gleichzeitig mit beiden Händen.

Währenddessen unterhalten sich die Verwandten bei Kaffee und Kuchen im Mensagebäude und im Schulhof, auch Katrin und Rob Poyner kommen ins Gespräch. „Es ist schön, wieder mit allen reden und zusammenstehen zu können“, freut sich Mutter Katrin.

Rektor Udo Simmendinger steht derweil für Fragen der Eltern parat. „Es war schön, ein volles Haus zu haben“, sagt der Schulleiter. Ein schönes buntes Bild habe er von der Bühne aus zu Gesicht bekommen. Er erzählt, in diesem Schuljahr sei geplant, die Streitschlichter- und Schulsanitäterausbildung fortzuführen. „Es war im Alltag sehr erfolgreich, dass die Schüler Streit selbst beilegen können“, erklärt Simmendinger.

Endlich verlässt Nicolas das Schulgebäude. Ihm hat die erste Stunde gut gefallen. Seine Schultüte hat er noch nicht geöffnet und weiß noch nicht, dass darin unter anderem ein Lego Star Wars-Bausatz, eine Piraten-Armbanduhr und sein erstes Lesebuch mit Abenteuergeschichten auf ihn wartet.

Für den Moment ist ihm das Mittagessen wichtiger, welches die Familie im McDonald's zu sich nehmen wird. Damit beide Geschwister dabei sein können, wird es das Festmahl erst am Abend geben: Pizza.


Schulleiter Udo Simmendinger begrüßt die neuen Erstklässler.


Die Schüler der 2. Klasse begrüßen die Erstklässler mit mehreren Darbietungen.


Schulleiter Udo Simmendinger erzählt die Geschichte "Was macht man mit einer Chance".

Schwäbische Zeitung 16.09.2022