Warum die Längenfeldschule Ehingen vergleichsweise wenig Anmeldungen verzeichnet

Bunt wie ein Regenbogen: So beschreibt Schulleiter Udo Simmendinger seine Schule. (Foto: Verena Pauer)
Sich erst in der achten Klasse für den Real- oder den Hauptschulabschluss entscheiden: Theoretisch ist das an der Längenfeldschule in Ehingen möglich. Praktisch entscheiden sich jedoch vergleichsweise wenige Eltern, ihre Kinder auf die Gemeinschaftsschule zu schicken. Bei Schulleiter Udo Simmendinger stößt das auf Unverständnis: „Bei uns kann man genauso den Realschulabschluss machen, wie an der Realschule.“ Doch das sei den Eltern oftmals nicht bewusst.
„Den Eltern zeige ich auch manchmal eine Realschulprüfung und sage: Schauen Sie, das sind die identischen Fragen wie bei der Realschule“, sagt der Schulleiter. Der große Unterschied sei nun einmal, dass in einer Gemeinschaftsschule Kinder im Klassenzimmer sitzen, die sowohl den Realschul- als auch den Hauptschulabschluss ablegen können. „Das können sich viele Eltern nicht vorstellen.“ Daher komme auch die gewisse Scheu vor dem Konzept. Aus ihrer Schulzeit seien die Erwachsenen noch anderen Unterricht gewohnt.
Die Schulbücher und Lernmaterialien seien aber an das Konzept angepasst und würden Aufgaben in den drei unterschiedlichen Niveaustufen (grundlegend, mittel, erweitert) bereithalten, sagt Schulleiter Simmendinger. Auch die Lehrkräfte seien darauf eingestellt, kommen von Gymnasien, Haupt- und Realschulen zusammen. Größter Aufwand sei es noch, die Klassenarbeiten in den drei unterschiedlichen Stufen zu konzipieren. Dem Vorurteil, dass Kinder in der Gemeinschaftsschule nicht ihr Potenzial ausschöpfen könnten, tritt Simmendinger nicht nur deshalb entschieden entgegen. Er sagt vielmehr, dass das Konzept besser darauf ausgelegt sei, Einzelne zu fördern. „Den Stärkeren kommt das entgegen.“ Durch die unterschiedliche Schwere an Aufgaben könnten diese bereits weiterarbeiten, während sich die Lehrkräfte um die Schwächeren kümmern. Wer außerdem die geforderte Notenhürde von 40 Prozent bestandenen Leistungen in einem Fach nicht erreiche, werde durch Lernpakete unterstützt.
In welchem Schweregrad die Schülerinnen und Schüler ihre Prüfungen schreiben, legen sie zusammen mit den Lehrkräften fest. Wer in einem Fach sehr gut ist, kann im erweiterten Niveau schreiben, in einem schlechteren Fach aber auch im grundlegenden. Auch der Wechsel innerhalb des Schuljahres ist je nach Leistungen möglich. Die Abschlussart wird erst in der achten Klasse festgelegt. „Das schon in der vierten Klasse zu entscheiden, ist schon ziemlich früh“, sagt der Leiter der Gemeinschaftsschule. Die spätere Entscheidungsmöglichkeit sieht er als Vorteil - ebenso wie die vergleichsweise kleinen Klassen. In der Abschlussklasse für den Realschulabschluss seien meist zwischen 17 und 20 Kinder. „An der Realschule platzen sie fast aus allen Nähten“, sagt er.
Trotzdem entscheiden sich relativ wenige dafür, ihre Kinder auf die Gemeinschaftsschule zu schicken. In den vergangenen Jahren hätten sie immer zwei Klassen gehabt, in diesem Schuljahr sei es erstmals nur eine fünfte Klasse gewesen. Von den 70 Kindern der vierten Klassen der Längenfeldschule bleiben laut Schulleiter in diesem Jahr wahrscheinlich 16 Schülerinnen und Schüler weiterhin auf seiner Schule. „20 bis 25 Kinder sollten das eigentlich schon sein“, sagt Simmendinger mit Blick auf die Klassen. Dass trotzdem oftmals zwei fünfte Klassen zusammenkommen, liegt an den Kindern aus den umliegenden Gemeinden - und daran, dass die Gemeinschaftsschule Munderkingen ausläuft und keine neuen Klassen mehr anbietet.
Ein weiteres Problem jedoch: „Viele Eltern wissen gar nicht, dass es uns hier gibt“, sagt Simmendinger über seine Schule. Obwohl es die Schulform in Baden-Württemberg seit fast 10 Jahren gibt und die Gemeinschaftsschule in Ehingen 2015 ihren Betrieb aufgenommen hat, sei sie weiterhin sehr unbekannt. Außerdem spricht der Schulleiter von einer gewissen Konkurrenz zwischen den Schulen, seit die Eltern sich nicht mehr an die Schul-Empfehlung der Grundschullehrkräfte halten müssen. Dieser Druck zeige sich auch dadurch, dass die Schulen Schnuppertage ausrichten.
In den vergangenen Tagen gab es die Empfehlungsgespräche auch an der Längenfeldschule. Das Ergebnis: Etwa 70 Prozent der Eltern würden der Empfehlung für die weiterführende Schule folgen, die restlichen 30 eher nicht. Das Kind mit schlechten Noten jedoch auf die Realschule oder das Gymnasium zu schicken, sei nicht sehr sinnig, sagt der Schulleiter: „Dann macht es vielleicht den Hauptschulabschluss, nur unter dem Dach der Realschule.“ Dort hätten jedoch die Lehrkräfte nicht so viele Möglichkeiten, schwächere Schüler zu fördern. Viele Kinder wechseln nach der Grundschulzeit an der Längenfeldschule aber auch aus Drang nach Neuem die Schule - wofür Simmendinger Verständnis hat. Die Eltern würden auch oft rückmelden, dass sie lediglich dem Wunsch der Kinder folgen würden.Dem Schulleiter ist wichtig, zu sagen, dass auch die anderen Schulen einen guten Job machen. Seine Botschaft ist: „Wir sind auch gut und wir sind eine echte Alternative.“ Er hofft, dass sich in diesem Jahr mehr Kinder und Eltern für die Gemeinschaftsschule entscheiden, wenn am 8. und 9. März die Schulanmeldungen anstehen.
27.01.2023 - Schwäbische Zeitung, Verena Pauer